Amateur-journalistische Arbeit eines Amazon-Videlpublizierers
Faszinierender Gedanke, dass die Zivilisationsgeschichte der Menschen weit über 10.000 vor Christi Geburt hinausgeht, dass im doppelten Sinne "versunkene " Kulturen zigtausende Jahre zuvor bereits weit über die Erde verbreitet waren.
Versunken, weil nach der letzten Eiszeit der Meerwasser ständig stieg und möglicherweise zahlreiche menschliche Siedlungen in Küstengebieten überschwemmt wurden, versunken auch deshalb, das sie aus dem Fokus der etablierten Geschichtsschreibung geraten, die bei uns mit den alten Griechen und Römern begann.
Rüdiger Opelt hat sich ein halbes Jahrhundert lang mit der Menschheitsgeschichte befasst und auch neueste Arbeiten wie jene des etablierten Historikers Götz Aly, die sich äußerst kritisch mit Exponaten aus der deutschen Kolonialzeit befasst und zu einer lebhafte Diskussion geführt hat. Es wird auf eine Reihe moderner, seriös recherchierter Werke zurückgegriffen, beispielsweise "Arm und Reich" des US-amerikanischen Evolutionsbiologen Jared Diamond, "Eine kurze Geschichte der Menschheit" des israelischen Historikers Yuval Noah Harari nicht zuletzt "Das Patriarchat", eine damals bahnbrechende Arbeit des Anthropologen Ernst Bornemann aus den 70er-Jahren der damals im Fach Psychologie an der Universität Salzburg lehrte, unweit des Marktfleckens Lambach, wo der Autor beheimatet ist.
In weiten Teilen, speziell in den mittleren Passagen des über 200 Seiten langen "Versunkene Kulturen", ist es eine recht übersichtliche Darstellung der Menschheitsgeschichte mit all jenen Wanderungsbewegungen von Völkern, die vor der letzten Eiszeit möglicherweise stattgefunden haben. Rüdiger Opelt versucht, sich gegenüber populärwissenschaftlicher Laien, Geschäftemachern und Rechtsextremisten abzugrenzen, streift sie nur kurz.
Sein Anspruch ist aufklärerisch. Er gibt sich kritisch und sachkundig zugleich, wobei er im Anhang auf eigene Publikationen verweist, wie sie in solch einem Umfang die eingangs erwähnten Universitätsprofessoren nicht zu bieten haben. Er stellt sich als Kritiker der universitären Forschung dar und postuliert, über eine weiteren Horizont als das akademische Establishment zu verfügen.
Der sicher gut gemeinte Ansatz des Autors steht im Widerspruch zu Inhalt und Form seiner Publikation. Beginne wir mit letzterem. Es gibt gewisse Konventionen, die das Lesen von Texte erleichtern, beispielsweise Kommaregeln, Grammatik und Orthografie. Hier habe ich im Buch keinerlei Fehler entdeckt. Kompliment! Je besser solche Regeln eingehalten werden, um so besser können sich die Leser auf den Inhalt konzentrieren. Sie müssen die Buchstäben und Sätze nicht mühsam entziffern, können sie überfliegen und – was für ein Sachbuch wichtig ist – den Inhalt nicht nur erfassen, sondern auch reflektieren, will meinen, der Autor gibt ihnen Raum für eigene Meinungsbildung.
Jedoch wurden hier alle Konventionen des Buchsatzes missachtet. Serifen dienen seit dem Mittelalter, spätestens seit Erfindung des Buchdrucks, dem leichten, meist unbewussten Hangeln des Auges von Buchstabe zu Buchstabe. Wenn die Schriftfonts wie hier in diesem Buch durchgängig mit serifenloser Antiqua gesetzt werden, das Blatt so gut wie keinen Rand hat und der Text voll von Lücken ist, weil auf Silbentrennung, Kerning und gänzlich alle Regeln der Typografie verzichtet wird, wird das Lesen unbewusst zur Qual und konterkariert dem Anspruch des Autor, wissenschaftlich ernst genommen zu werden..
Schon auf Seite 2 die merkwürdigen Jahresbezeichnungen "vZ" und "nZ". Rüdiger Opelt hat sie anscheinen erfunden und stellt sich so dar, als würde er als einziger eine nicht-christliche Zeitdatierung verwenden. Anscheinend weiß er nicht, dass die grammatikalisch korrekt mit Punkten und entsprechende Leerzeichen versehenen Bezeichnungen "v. u. Z." und "n. u. Z." schon seit ewigen Zeiten üblich sind, speziell in Osteuropa einschließlich der DDR, deren Historiker vielfach sehr interessante Sichtweisen hatte, womit sie die blinden Flecken ihrer westeuropäischen Kollegen ausglichen.
Ferner missachtet er Urheberrechte grafischer Gestalter, wenn er, wie hier geschehen, lapidar "Screenshot" unter Abbildungen setzt oder gar ganz auf Quellenangabe verzichtet. Ein Beispiel, wie man die Urheberrechte anderer achtet und honoriert, sei mein reich bebilderten"Astrologie der Reformationszeit" von 1998, in dem es nicht nur ein detailliertes Abbildungsverzeichnis gibt. Selbstverständlich gab es mit allen Rechteinhabern Honorarvereinbarungen. Auch bei meinem aktuell erschienen Thriller "Der Astrologe" habe ich Grafiker und Fotografen selbstverständlich finanziell entschädigt. Conclusio: Die Aufmachung von "Versunkene Kulturen" ist mehr als billig, man sieht es dem Buch an.
Kommen wir zum Erzählstil: Die Abhandlung "Falsche Propheten – Studien zur faschistischen Agitation" in der Übersetzung Susanne Hoppmann-Lowenthal, 2021 neu aufgelegt, analysiert Techniken, die es dem Leser bzw. Zuhörer unmöglich machen, Botschaften und Meinungen zu hinterfragen. In unangenehmer Weise tut Rüdiger Opel genau dies. Ständig hackt und stichelt er gegen den etablierten Wissenschaftsbetrieb in einem Stil, der mich an einen Spruch erinnert, der mir auch drei Monaten Wein-Aufenthalt in Erinnerung geblieben ist: "Was schaut so deppert, hast deine Matura etwas in Salzburg gemach?"
Das Kleinmachen und Abwerten des Gegenüber, die Unfähigkeit zum Diskurs, das zeigt an vielen Stellen von Rüdiger Oppelts Buch, entweder wenn er gegen die Ignoranz der Akademiker hetzt oder wenn er selbst in Stammtischgerede verfällt, wie beispielsweise auf Seite 43 mit Sprüchen wie "Ein zu null für den Hausverstand". Sein Buch könnte lesenswert sein, wenn er auf dieses ganze Hetze und die Vulgärsprache, die immer wieder durchdringt, verzichte würde und sich zudem an Konventionen der Buchpräsentation hielte. So aber verstärkt sich der Eindruck, dass nicht nur Form, sondern auch Inhalt schlichtweg billig sind.
Fazit: Amateur-journalistische Arbeit eines Amazon-Videlpublizierers
Es ist mühselig, inhaltlich zu einem Buch Stellung zu nehmen, das den Leser demagogisch durch die Sprache zwingt und ihm keinen Freiraum für die eigenen Meinung gibt. Als Beispiel, wie die Zusammenarbeit zwischen etablierten Akademikern und engagierten Laien, von Wissenschaftlern und Esoterikern, von Kirchenvertretern beiderlei Konfession in der Literatur klappen kann, möchte ich auf "Melanchthons Astrologe" von 1997 hinweisen, den Begleitkatalog zu meiner damaligen Museumsausstellung. Ganz bewusst bat ich nicht nur Astrologe sondern auch erklärte Astrologie-Kritiker um Beiträge, konnte ich Protestanten und Katholiken zur Mitarbeit bewegen, Skeptiker und Gläubige. Dieses tolerante Nebeneinander kluger Köpfe jeglicher Couleur brachte mir damals viel Lob und Anerkennung ein – sogar vom Sektenbeauftragten der Kirche.
Rüdiger Opelt spannt im Mittelteil seines Buches – besonders wenn er Diskriminierung andersdenkender verzichtet – eine fantastischen Bogen über eine alternative Sicht zur Entwicklungsgeschichte der Menschheit. Der Leser bekommt ein Gefühl dafür, welche realen Hintergrund religiöse Mythen haben können, beispielsweise jene von der Sintflut. Problematisch ist es immer dann, wenn das Schwarz-Weiß-Denken des Autors in den Vordergrund.
Matriarchat gut, Patriarchat schlecht. Auf dieses Schema schrumpft er Ernest Bornemanns Werk zusammen. Opelt idealisiert ach so unschuldige Urvölker wie die Azteken und übergeht völlig, dass die siegreichen Spanier deren Reich zwar brutal niederschlugen, damit aber auch einem tausendfach brutalerem Menschenopfer-Kult beendeten. Über Pyramiden in Mittelamerika schreibt der Autor. Dass ihr Zweck jedoch darin bestand, auf der obersten Stufe Menschen das Herz herauszureißen, dass der Opferkult der Azteken so weit ging, in so genannten "Blumenkriegen" aus von ihnen abhängigen Völker Menschenopfer en masse zu erpressen, das übergeht er – oder er weiß mangels einseitiger Bildung (die er im Buch stets andren vorwirft), davon nichts. Filmtipp: "Apocalypto", Buch und Regie Mel Gibson. Ganz am Ende des Film am Golf von Mexiko spanische Schiffe – nicht als Eroberer dargestellt, sondern als Befreier der Mittelamerikaner von einem sadistischen Todeskult. Kluge Geschichtsschreibung – und danach verlangt Rüdiger Opelt – muss differenziert sein. Sei muss neben Licht und Schatten ach die Graustufen und Widersprüche der Menschheitsgeschichte darstellen. Daran scheitert er als Autor.
Verweisen möchte ich auf eine Reihe moderner Autoren, die sich der Idealisierung des Matriarchats entgegenstellen: Die Schweizerin Ester Vilar hatte in den 70er Jahren mit "Der dressierte Mann" einen interessanten Gegenentwurf zu Alice Schwarzers "Frauenarbeit – Frauenbefreiung" publiziert. Anfang der 90er Jahre erschien von der US-amerikanischen Feministin Camille Paglia "Die Masken der Sexualität", ein bahnbrechendes kulturhistorisches Werk, das auf Friedrichs Nietzsches Dichotomie der apollinischen und dionysischen Antikes und Aby Warburgs Vortrag " Heidnische Antike in Wort und Bild" von 1917 an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften aufbaut. Paglias Buch löste eine große Diskussion aus, ging es ihr doch um Darstellung eines großen Tabuthemas, der destruktiven Seite des Weibliches. Und nicht zuletzt Bert Hellinger, der in seinen zahlreichen Publikationen zu den "Ordnungen der Liebe" stets auf destruktive, zerstörerische Mütter hinwies, der sich in Familienaufstellungen stets auf die Seite der Väter stellte und mit der Bemerkung "Da sitzt das kalte Herz" (siehe gleichnamiger Artikel in DIE ZEIT Nr. 35/2003) auf die Mütter zeigte.
In seinem Nachwort verweist Rüdiger Opelt auf den bei Drucklegung 2022 gerade begonnenen Ukraine-Krieg. Was er wohl jetzt, da ich diese Rezension Anfang Mai 2022 schreibe, von der Forderung halten, der Ukraine schwere Waffen zu verweigern, obwohl dort massenhaft durch Putins Soldaten Frauen vergewaltigt und Menschen ermordet werden – eine Forderung, die Alice Schwarzer vehement vertritt, eine "Stalin-Feministin", wie die lesbische Kunst- und Kulturhistorikerin Camille Paglia sie nennt, siehe Artikel in Zeit Online vom 11. April 2018? Die Frage, ob wir heutzutage im Patriarchat oder vielleicht eher im Matriarchat leben, hatte ich schon damals mit Bert Hellinger diskutiert, nur wir beide, 2012 auf einem Spaziergang in München. Russlands Afghanistan-Krieg, so heißt es, wurde beendet, als Russlands Mütter nicht mehr wollten, dass ihre Söhne auf dem Schlachtfeld sterben. Vermutlich werden auch sie, und nicht die Marionette Putin, das aktuelle Blutvergießen beenden, wenn sie das Opfern ihrer Söhne inmitten der Sonnenblumenfelder der Ukraine nicht mehr gutheißen.
Historiker sind nicht so dumm, wie Rüdiger Opelt es in seinem Buch – das ansonsten streckenweise ganz exzellent geschrieben ist – weismachen will. Sie sind lediglich unterschiedlicher Meinung und tragen aus guten Grund Sorge, dass sich in der Geschichtsschreibung irrsinnige Fake News wie beispielsweise die Mär von der jüdischen Weltverschwörung oder dem Ursprung der Menschheit 6.000 vor Christi Geburt, wie es heutzutage evangelikale Kreationisten aus dem Umfeld Donald Trumps propagieren, nicht breit machen.
Ich erinnere mich sehr gut an meine Museumsausstellung "Millennium" 1999/2000 in der Abguss-Sammlung Antiker Plastik in Berlin-Charlottenburg: Ein erbittert geführter Streit an der Freien Universität Berlin zwischen zwei Professoren der Kunstgeschichte zur Frage, ob im Römischen Pantheon eins Statuen von Planetengöttern standen – wichtig insofern, als dass damals gerade die neue Reichstagskuppel des Architekten Lord Norman Foster eingeweiht wurde, die in ähnlicher Bauart wie der alte Pantheon, der astrologische Vielgötter-Tempel, mit einem so genannten "Oculum", einem offenen Auge gen Himmel, und zwölf Scheinwerfern gleich den zwölf Tierkreiszeichen. Damals entschied ich mich, das Thema im Drehbuch meines 2007 veröffentlichten Spielfilms "AstroEuros" künstlerisch zu streifen, in Form eines Dialogs.
Den Kunstgriff, Themen nicht dogmatisch in Schwarz-Weiß-Manier er erörtern, was doch zu sehr an Sprache des Faschismus erinnert, siehe o.a. "Falsche Propheten", wäre vielleicht ein Ausweg, wie Rüdiger Opelt "Versunkene Kulturen" nochmals – und dann bitte sorgfältiger (s.o.) in der Gestaltung – in einer Neuauflage veröffentlichen könnte. Ein Blick auf Goethes Faust könnte dabei nicht schaden: Anstatt ein rechthaberisches Traktat über Religion versus Wissenschaft zu verfassen, packte der olle Dichter-Übervater all dies in faszinierende, unsterblich gewordenen Dialoge zwischen Doktor Faustus, den Mephistopheles und das einfach Gretchen. Für meinem Thriller "Der Astrologe – eine gänzlich unwahre Geschichte" schuf ich die Protagonisten Scultetus, Max und Evi, um die Frage, ob am Sternglauben nun etwas dran ist, von allen Seiten zu erörtern.
Dies ist nicht nur im Sinne von Friedrich Schiller zu verstehen, der postuliert, dass alle Kunst der Freude gewidmet sei. Vielmehr geht es darum, dass gute Literatur, sein es nun Belletristik oder wie bei "Versunkene Kulturen" Sachliteratur, dem Leser die Freiheit geben muss, seine eigene Meinung zu entwickeln. Damit dies geschehen kann, damit er die Gedanken des Autors mit dem gebührenden Abstand betrachten und überdenken kann, muss ein Buch sauber lektoriert, korrigiert, gesetzt und illustriert sein. Und inhaltlich müssen verschiedene Positionen, verschiedene Denkrichtungen angeboten werden.
Der Leser muss die Freiheit haben, sich für dies oder jenes zu entscheiden, ohne Druck und ohne in Gefahr zu laufen, zu jenen depperten Piefkes oder Hochgschissenen gerechnet zu werden, an denen sich der Autor in provinzieller Stammtisch-Seligkeit abarbeitet.
Fazit: Zwar ein interessanter kulturwissenschaftlicher Ansatz, jedoch Überarbeitung mehr als wünschenswert!
Amateur-journalistische Arbeit eines Amazon-Videlpublizierers
Faszinierender Gedanke, dass die Zivilisationsgeschichte der Menschen weit über 10.000 vor Christi Geburt hinausgeht, dass im doppelten Sinne "versunkene " Kulturen zigtausende Jahre zuvor bereits weit über die Erde verbreitet waren.
Versunken, weil nach der letzten Eiszeit der Meerwasser ständig stieg und möglicherweise zahlreiche menschliche Siedlungen in Küstengebieten überschwemmt wurden, versunken auch deshalb, das sie aus dem Fokus der etablierten Geschichtsschreibung geraten, die bei uns mit den alten Griechen und Römern begann.
Rüdiger Opelt hat sich ein halbes Jahrhundert lang mit der Menschheitsgeschichte befasst und auch neueste Arbeiten wie jene des etablierten Historikers Götz Aly, die sich äußerst kritisch mit Exponaten aus der deutschen Kolonialzeit befasst und zu einer lebhafte Diskussion geführt hat. Es wird auf eine Reihe moderner, seriös recherchierter Werke zurückgegriffen, beispielsweise "Arm und Reich" des US-amerikanischen Evolutionsbiologen Jared Diamond, "Eine kurze Geschichte der Menschheit" des israelischen Historikers Yuval Noah Harari nicht zuletzt "Das Patriarchat", eine damals bahnbrechende Arbeit des Anthropologen Ernst Bornemann aus den 70er-Jahren der damals im Fach Psychologie an der Universität Salzburg lehrte, unweit des Marktfleckens Lambach, wo der Autor beheimatet ist.
In weiten Teilen, speziell in den mittleren Passagen des über 200 Seiten langen "Versunkene Kulturen", ist es eine recht übersichtliche Darstellung der Menschheitsgeschichte mit all jenen Wanderungsbewegungen von Völkern, die vor der letzten Eiszeit möglicherweise stattgefunden haben. Rüdiger Opelt versucht, sich gegenüber populärwissenschaftlicher Laien, Geschäftemachern und Rechtsextremisten abzugrenzen, streift sie nur kurz.
Sein Anspruch ist aufklärerisch. Er gibt sich kritisch und sachkundig zugleich, wobei er im Anhang auf eigene Publikationen verweist, wie sie in solch einem Umfang die eingangs erwähnten Universitätsprofessoren nicht zu bieten haben. Er stellt sich als Kritiker der universitären Forschung dar und postuliert, über eine weiteren Horizont als das akademische Establishment zu verfügen.
Der sicher gut gemeinte Ansatz des Autors steht im Widerspruch zu Inhalt und Form seiner Publikation. Beginne wir mit letzterem. Es gibt gewisse Konventionen, die das Lesen von Texte erleichtern, beispielsweise Kommaregeln, Grammatik und Orthografie. Hier habe ich im Buch keinerlei Fehler entdeckt. Kompliment! Je besser solche Regeln eingehalten werden, um so besser können sich die Leser auf den Inhalt konzentrieren. Sie müssen die Buchstäben und Sätze nicht mühsam entziffern, können sie überfliegen und – was für ein Sachbuch wichtig ist – den Inhalt nicht nur erfassen, sondern auch reflektieren, will meinen, der Autor gibt ihnen Raum für eigene Meinungsbildung.
Jedoch wurden hier alle Konventionen des Buchsatzes missachtet. Serifen dienen seit dem Mittelalter, spätestens seit Erfindung des Buchdrucks, dem leichten, meist unbewussten Hangeln des Auges von Buchstabe zu Buchstabe. Wenn die Schriftfonts wie hier in diesem Buch durchgängig mit serifenloser Antiqua gesetzt werden, das Blatt so gut wie keinen Rand hat und der Text voll von Lücken ist, weil auf Silbentrennung, Kerning und gänzlich alle Regeln der Typografie verzichtet wird, wird das Lesen unbewusst zur Qual und konterkariert dem Anspruch des Autor, wissenschaftlich ernst genommen zu werden..
Schon auf Seite 2 die merkwürdigen Jahresbezeichnungen "vZ" und "nZ". Rüdiger Opelt hat sie anscheinen erfunden und stellt sich so dar, als würde er als einziger eine nicht-christliche Zeitdatierung verwenden. Anscheinend weiß er nicht, dass die grammatikalisch korrekt mit Punkten und entsprechende Leerzeichen versehenen Bezeichnungen "v. u. Z." und "n. u. Z." schon seit ewigen Zeiten üblich sind, speziell in Osteuropa einschließlich der DDR, deren Historiker vielfach sehr interessante Sichtweisen hatte, womit sie die blinden Flecken ihrer westeuropäischen Kollegen ausglichen.
Ferner missachtet er Urheberrechte grafischer Gestalter, wenn er, wie hier geschehen, lapidar "Screenshot" unter Abbildungen setzt oder gar ganz auf Quellenangabe verzichtet. Ein Beispiel, wie man die Urheberrechte anderer achtet und honoriert, sei mein reich bebilderten"Astrologie der Reformationszeit" von 1998, in dem es nicht nur ein detailliertes Abbildungsverzeichnis gibt. Selbstverständlich gab es mit allen Rechteinhabern Honorarvereinbarungen. Auch bei meinem aktuell erschienen Thriller "Der Astrologe" habe ich Grafiker und Fotografen selbstverständlich finanziell entschädigt. Conclusio: Die Aufmachung von "Versunkene Kulturen" ist mehr als billig, man sieht es dem Buch an.
Kommen wir zum Erzählstil: Die Abhandlung "Falsche Propheten – Studien zur faschistischen Agitation" in der Übersetzung Susanne Hoppmann-Lowenthal, 2021 neu aufgelegt, analysiert Techniken, die es dem Leser bzw. Zuhörer unmöglich machen, Botschaften und Meinungen zu hinterfragen. In unangenehmer Weise tut Rüdiger Opel genau dies. Ständig hackt und stichelt er gegen den etablierten Wissenschaftsbetrieb in einem Stil, der mich an einen Spruch erinnert, der mir auch drei Monaten Wein-Aufenthalt in Erinnerung geblieben ist: "Was schaut so deppert, hast deine Matura etwas in Salzburg gemach?"
Das Kleinmachen und Abwerten des Gegenüber, die Unfähigkeit zum Diskurs, das zeigt an vielen Stellen von Rüdiger Oppelts Buch, entweder wenn er gegen die Ignoranz der Akademiker hetzt oder wenn er selbst in Stammtischgerede verfällt, wie beispielsweise auf Seite 43 mit Sprüchen wie "Ein zu null für den Hausverstand". Sein Buch könnte lesenswert sein, wenn er auf dieses ganze Hetze und die Vulgärsprache, die immer wieder durchdringt, verzichte würde und sich zudem an Konventionen der Buchpräsentation hielte. So aber verstärkt sich der Eindruck, dass nicht nur Form, sondern auch Inhalt schlichtweg billig sind.
Fazit: Amateur-journalistische Arbeit eines Amazon-Videlpublizierers
Es ist mühselig, inhaltlich zu einem Buch Stellung zu nehmen, das den Leser demagogisch durch die Sprache zwingt und ihm keinen Freiraum für die eigenen Meinung gibt. Als Beispiel, wie die Zusammenarbeit zwischen etablierten Akademikern und engagierten Laien, von Wissenschaftlern und Esoterikern, von Kirchenvertretern beiderlei Konfession in der Literatur klappen kann, möchte ich auf "Melanchthons Astrologe" von 1997 hinweisen, den Begleitkatalog zu meiner damaligen Museumsausstellung. Ganz bewusst bat ich nicht nur Astrologe sondern auch erklärte Astrologie-Kritiker um Beiträge, konnte ich Protestanten und Katholiken zur Mitarbeit bewegen, Skeptiker und Gläubige. Dieses tolerante Nebeneinander kluger Köpfe jeglicher Couleur brachte mir damals viel Lob und Anerkennung ein – sogar vom Sektenbeauftragten der Kirche.
Rüdiger Opelt spannt im Mittelteil seines Buches – besonders wenn er Diskriminierung andersdenkender verzichtet – eine fantastischen Bogen über eine alternative Sicht zur Entwicklungsgeschichte der Menschheit. Der Leser bekommt ein Gefühl dafür, welche realen Hintergrund religiöse Mythen haben können, beispielsweise jene von der Sintflut. Problematisch ist es immer dann, wenn das Schwarz-Weiß-Denken des Autors in den Vordergrund.
Matriarchat gut, Patriarchat schlecht. Auf dieses Schema schrumpft er Ernest Bornemanns Werk zusammen. Opelt idealisiert ach so unschuldige Urvölker wie die Azteken und übergeht völlig, dass die siegreichen Spanier deren Reich zwar brutal niederschlugen, damit aber auch einem tausendfach brutalerem Menschenopfer-Kult beendeten. Über Pyramiden in Mittelamerika schreibt der Autor. Dass ihr Zweck jedoch darin bestand, auf der obersten Stufe Menschen das Herz herauszureißen, dass der Opferkult der Azteken so weit ging, in so genannten "Blumenkriegen" aus von ihnen abhängigen Völker Menschenopfer en masse zu erpressen, das übergeht er – oder er weiß mangels einseitiger Bildung (die er im Buch stets andren vorwirft), davon nichts. Filmtipp: "Apocalypto", Buch und Regie Mel Gibson. Ganz am Ende des Film am Golf von Mexiko spanische Schiffe – nicht als Eroberer dargestellt, sondern als Befreier der Mittelamerikaner von einem sadistischen Todeskult. Kluge Geschichtsschreibung – und danach verlangt Rüdiger Opelt – muss differenziert sein. Sei muss neben Licht und Schatten ach die Graustufen und Widersprüche der Menschheitsgeschichte darstellen. Daran scheitert er als Autor.
Verweisen möchte ich auf eine Reihe moderner Autoren, die sich der Idealisierung des Matriarchats entgegenstellen: Die Schweizerin Ester Vilar hatte in den 70er Jahren mit "Der dressierte Mann" einen interessanten Gegenentwurf zu Alice Schwarzers "Frauenarbeit – Frauenbefreiung" publiziert. Anfang der 90er Jahre erschien von der US-amerikanischen Feministin Camille Paglia "Die Masken der Sexualität", ein bahnbrechendes kulturhistorisches Werk, das auf Friedrichs Nietzsches Dichotomie der apollinischen und dionysischen Antikes und Aby Warburgs Vortrag " Heidnische Antike in Wort und Bild" von 1917 an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften aufbaut. Paglias Buch löste eine große Diskussion aus, ging es ihr doch um Darstellung eines großen Tabuthemas, der destruktiven Seite des Weibliches. Und nicht zuletzt Bert Hellinger, der in seinen zahlreichen Publikationen zu den "Ordnungen der Liebe" stets auf destruktive, zerstörerische Mütter hinwies, der sich in Familienaufstellungen stets auf die Seite der Väter stellte und mit der Bemerkung "Da sitzt das kalte Herz" (siehe gleichnamiger Artikel in DIE ZEIT Nr. 35/2003) auf die Mütter zeigte.
In seinem Nachwort verweist Rüdiger Opelt auf den bei Drucklegung 2022 gerade begonnenen Ukraine-Krieg. Was er wohl jetzt, da ich diese Rezension Anfang Mai 2022 schreibe, von der Forderung halten, der Ukraine schwere Waffen zu verweigern, obwohl dort massenhaft durch Putins Soldaten Frauen vergewaltigt und Menschen ermordet werden – eine Forderung, die Alice Schwarzer vehement vertritt, eine "Stalin-Feministin", wie die lesbische Kunst- und Kulturhistorikerin Camille Paglia sie nennt, siehe Artikel in Zeit Online vom 11. April 2018? Die Frage, ob wir heutzutage im Patriarchat oder vielleicht eher im Matriarchat leben, hatte ich schon damals mit Bert Hellinger diskutiert, nur wir beide, 2012 auf einem Spaziergang in München. Russlands Afghanistan-Krieg, so heißt es, wurde beendet, als Russlands Mütter nicht mehr wollten, dass ihre Söhne auf dem Schlachtfeld sterben. Vermutlich werden auch sie, und nicht die Marionette Putin, das aktuelle Blutvergießen beenden, wenn sie das Opfern ihrer Söhne inmitten der Sonnenblumenfelder der Ukraine nicht mehr gutheißen.
Historiker sind nicht so dumm, wie Rüdiger Opelt es in seinem Buch – das ansonsten streckenweise ganz exzellent geschrieben ist – weismachen will. Sie sind lediglich unterschiedlicher Meinung und tragen aus guten Grund Sorge, dass sich in der Geschichtsschreibung irrsinnige Fake News wie beispielsweise die Mär von der jüdischen Weltverschwörung oder dem Ursprung der Menschheit 6.000 vor Christi Geburt, wie es heutzutage evangelikale Kreationisten aus dem Umfeld Donald Trumps propagieren, nicht breit machen.
Ich erinnere mich sehr gut an meine Museumsausstellung "Millennium" 1999/2000 in der Abguss-Sammlung Antiker Plastik in Berlin-Charlottenburg: Ein erbittert geführter Streit an der Freien Universität Berlin zwischen zwei Professoren der Kunstgeschichte zur Frage, ob im Römischen Pantheon eins Statuen von Planetengöttern standen – wichtig insofern, als dass damals gerade die neue Reichstagskuppel des Architekten Lord Norman Foster eingeweiht wurde, die in ähnlicher Bauart wie der alte Pantheon, der astrologische Vielgötter-Tempel, mit einem so genannten "Oculum", einem offenen Auge gen Himmel, und zwölf Scheinwerfern gleich den zwölf Tierkreiszeichen. Damals entschied ich mich, das Thema im Drehbuch meines 2007 veröffentlichten Spielfilms "AstroEuros" künstlerisch zu streifen, in Form eines Dialogs.
Den Kunstgriff, Themen nicht dogmatisch in Schwarz-Weiß-Manier er erörtern, was doch zu sehr an Sprache des Faschismus erinnert, siehe o.a. "Falsche Propheten", wäre vielleicht ein Ausweg, wie Rüdiger Opelt "Versunkene Kulturen" nochmals – und dann bitte sorgfältiger (s.o.) in der Gestaltung – in einer Neuauflage veröffentlichen könnte. Ein Blick auf Goethes Faust könnte dabei nicht schaden: Anstatt ein rechthaberisches Traktat über Religion versus Wissenschaft zu verfassen, packte der olle Dichter-Übervater all dies in faszinierende, unsterblich gewordenen Dialoge zwischen Doktor Faustus, den Mephistopheles und das einfach Gretchen. Für meinem Thriller "Der Astrologe – eine gänzlich unwahre Geschichte" schuf ich die Protagonisten Scultetus, Max und Evi, um die Frage, ob am Sternglauben nun etwas dran ist, von allen Seiten zu erörtern.
Dies ist nicht nur im Sinne von Friedrich Schiller zu verstehen, der postuliert, dass alle Kunst der Freude gewidmet sei. Vielmehr geht es darum, dass gute Literatur, sein es nun Belletristik oder wie bei "Versunkene Kulturen" Sachliteratur, dem Leser die Freiheit geben muss, seine eigene Meinung zu entwickeln. Damit dies geschehen kann, damit er die Gedanken des Autors mit dem gebührenden Abstand betrachten und überdenken kann, muss ein Buch sauber lektoriert, korrigiert, gesetzt und illustriert sein. Und inhaltlich müssen verschiedene Positionen, verschiedene Denkrichtungen angeboten werden.
Der Leser muss die Freiheit haben, sich für dies oder jenes zu entscheiden, ohne Druck und ohne in Gefahr zu laufen, zu jenen depperten Piefkes oder Hochgschissenen gerechnet zu werden, an denen sich der Autor in provinzieller Stammtisch-Seligkeit abarbeitet.
Fazit: Zwar ein interessanter kulturwissenschaftlicher Ansatz, jedoch Überarbeitung mehr als wünschenswert!